Was ist bidirektionales Laden?
Bidirektionales Laden beschreibt die Fähigkeit eines Elektroautos, nicht nur Strom aus dem Netz in seine Batterie zu laden, sondern den gespeicherten Strom auch wieder ins Haus- oder Stromnetz zurückzuspeisen. Auf diese Weise fungiert das E-Auto als flexibler Stromspeicher. Es kann tagsüber überschüssigen Solarstrom aufnehmen und diesen nachts oder bei Bedarf wieder an das Hausnetz oder sogar an das öffentliche Stromnetz abgeben. Dieser bidirektionale Energiefluss ermöglicht eine effizientere Nutzung erneuerbarer Energien und trägt zur Stabilisierung des Stromnetzes bei.
Vorteile des bidirektionalen Ladens
Bidirektionales Laden bietet mehrere Vorteile für Verbraucher und das Stromnetz. Einer der Hauptvorteile ist die Möglichkeit, Solarenergie optimal zu nutzen. Überschüssiger Solarstrom, der tagsüber produziert wird, kann im Akku des E-Autos gespeichert und nachts oder bei Bedarf ins Hausnetz eingespeist werden. Dies erhöht den Eigenverbrauch und spart Stromkosten.
Ein weiterer Vorteil ist, dass E-Autos als flexible Stromspeicher dienen und zur Stabilisierung des Stromnetzes beitragen können. Wenn zu viel Strom produziert wird, können die Akkus geladen werden. Bei hoher Nachfrage kann der gespeicherte Strom zurück ins Netz fließen. Dies hilft, Schwankungen im Netz auszugleichen und die Integration erneuerbarer Energien zu erleichtern.
Zudem bietet bidirektionales Laden eine zusätzliche Einnahmequelle für E-Auto-Besitzer. Durch das Bereitstellen von Stromspeicherkapazität für das Netz können sie eine Vergütung erhalten. Insgesamt ist bidirektionales Laden eine vielversprechende Technologie, die zur Energiewende und Netzstabilität beitragen kann.
Wie funktioniert bidirektionales Laden?
Beim bidirektionalen Laden wird die im Akku des Elektroautos gespeicherte elektrische Energie (Gleichstrom) in Wechselstrom umgewandelt, um sie ins Hausnetz oder öffentliche Stromnetz einspeisen zu können. Dafür ist ein Wechselrichter erforderlich, der die Umwandlung von Gleich- zu Wechselstrom übernimmt.
Dieser Wechselrichter kann entweder im Fahrzeug selbst verbaut oder in der Wallbox integriert sein. Ein intelligentes Energiemanagementsystem steuert den Lade- und Entladevorgang und überwacht den Ladezustand der Fahrzeugbatterie. Es kommuniziert mit dem Fahrzeug und der Wallbox, um sicherzustellen, dass genügend Energie für die Fahrt verbleibt und nur überschüssiger Strom in das Netz eingespeist wird.
Die bidirektionale Ladetechnik ermöglicht einen zweiseitigen Energiefluss zwischen Fahrzeug und Netz. Das Elektroauto dient dabei als dezentraler Energiespeicher, der überschüssigen Strom aus erneuerbaren Quellen wie Photovoltaikanlagen aufnehmen und bei Bedarf wieder ins Netz einspeisen kann.
Arten des bidirektionalen Ladens
Es gibt drei Hauptvarianten des bidirektionalen Ladens:
Vehicle-to-Load (V2L): Dies ist die einfachste Form. Hier bietet das Elektroauto eine haushaltsübliche Steckdose, über die elektrische Geräte mit Energie versorgt werden können. Es besteht dabei keine Verbindung zum Hausnetz. Denkbare Anwendungsfälle wären das Aufsaugen des Autos oder die Notversorgung eines anderen E-Fahrzeugs.
Vehicle-to-Home (V2H): Bei dieser Variante hängt das E-Auto an einer hauseignen Wallbox. Der zuvor ins Auto geladene Strom kann so für den Eigenverbrauch zurück ins Haus fließen. Sinnvoll ist das zum Beispiel in Kombination mit einer Solaranlage und Energiemanagementsystem, das tagsüber Strom ins Auto leitet.
Vehicle-to-Grid (V2G): Die komplexeste Art verbindet das E-Auto direkt mit dem öffentlichen Stromnetz. Die Idee: E-Autos dienen als flexible Pufferspeicher und speichern Strom, wenn zu viel produziert wird. Bei Bedarf speisen sie die Energie wieder ins Netz ein und tragen so zur Netzstabilisierung bei.
E-Autos mit bidirektionalem Laden
Mehrere Automobilhersteller haben bereits Modelle auf den Markt gebracht, die bidirektionales Laden unterstützen. Einige Beispiele sind:
- Volkswagen ID.3, ID.4, ID.5 und ID. Buzz (mit 77 kWh Akku)
- Hyundai Ioniq 5 und Ioniq 6
- Kia EV6, EV5 und Niro EV
- Nissan Leaf und e-NV200
- Mitsubishi Outlander, Eclipse Cross und i-MiEV
- BYD Dolphin
- Genesis GV60, GV70 und G80
- MG4, MG5 und MG Marvel R
- Skoda Enyaq iV
- Volvo EX90
- Polestar 3
Die meisten dieser Modelle nutzen den CCS- oder CHAdeMO-Anschluss für bidirektionales DC-Laden zur Vehicle-to-Home (V2H) und Vehicle-to-Grid (V2G) Integration. Einige Fahrzeuge, insbesondere von koreanischen und chinesischen Marken, bieten auch AC-Ladung über die haushaltsübliche Schuko-Buchse für Vehicle-to-Load (V2L) Anwendungen.
Normen und Regularien
Die Technik für bidirektionales Laden befindet sich noch in einer frühen Phase. Seit April 2022 existiert zumindest die Norm ISO 15118-20, welche die technischen Anforderungen für das bidirektionale Laden und die Rückspeisung von Energie aus dem Fahrzeugakku ins Netz definiert. Dennoch bleiben viele rechtliche und regulatorische Fragen offen.
Aus rechtlicher Sicht werden Elektroautos bislang nur als Personenkraftwagen und nicht als Stromspeicher angesehen. Unklar ist, welche Auswirkungen die Freigabe für bidirektionales Laden auf die Akkugarantien der Hersteller hätte. Auch die Haftungsfragen im Falle von Schäden an der Installation sind ungeklärt. Zudem muss geklärt werden, wie der ins öffentliche Netz eingespeiste Strom abgerechnet und versteuert wird – analog zu Photovoltaik-Strom oder nach anderen Regeln. Nicht zuletzt stellt sich die Frage, ob Hausanschlüsse und Wallboxen flexibel genug sind, um mit den technischen Unterschieden verschiedener E-Auto-Modelle (Batterie-Größe, Bordnetz-Spannung etc.) umzugehen.
Herausforderungen und Zukunftsaussichten
Trotz der vielversprechenden Vorteile des bidirektionalen Ladens gibt es noch einige technische und wirtschaftliche Hürden zu überwinden. Auf der technischen Seite fehlt es bislang an einheitlichen Standards und Schnittstellen, die eine reibungslose Kommunikation zwischen Fahrzeug, Ladeinfrastruktur und Energiemanagement ermöglichen. Zudem müssen Fragen rund um Garantie, Haftung und Abrechnungsmodalitäten geklärt werden.
Wirtschaftlich stellt sich die Frage, ob die Investitionskosten für die erforderliche Infrastruktur durch die Energieeinsparungen und Netzstabilisierungseffekte gerechtfertigt sind. Eine gezielte staatliche Förderung könnte hier Anreize schaffen und den Hochlauf beschleunigen.
Insgesamt wird erwartet, dass bidirektionales Laden in den kommenden Jahren stark an Bedeutung gewinnen wird. Im Zuge des Ausbaus erneuerbarer Energien und der Elektromobilität kann die Technologie einen wichtigen Beitrag zur Netzstabilität und Stromspeicherung leisten. Vorreiter wie Japan und Korea zeigen bereits den Weg auf. In Deutschland und Europa könnte bidirektionales Laden schon bald zur Normalität für Elektroautobesitzer werden.